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Günter Grass - FUNDSACHEN für NICHTLESER

Hirschwirtscheuer, Künzelsau

30. Januar 2025 - Winter 2025

Mittwoch - Sonntag und an Feiertagen, 11 - 17 Uhr, Eintritt frei

 

Der Nobelpreisträger Günter Grass (1927-2015) ist vor allem bekannt für sein literarisches Werk als Dichter, Romanautor und Dramatiker. Weit weniger bekannt ist sein bedeutendes bildnerisches Werk aus Druckgrafiken, Zeichnungen, Aquarellen und Skulpturen. Ein ganz besonderer Aspekt seines Schaffens, der sein Doppeltalent als Schriftsteller und bildender Künstler hervorhebt, sind seine Künstlerbücher. In Zusammenarbeit mit seinem Verlag gestaltete Günter Grass diese Bücher weitgehend selbst.

 

Fundsachen für Nichtleser, veröffentlicht 1997, ist ein solches Künstlerbuch, welches auf 116 Aquarellen basiert, die sich heute in der Sammlung Würth befinden. Es ist ein Tagebuch, in dem Bilder und Texte gleichberechtigt nebeneinanderstehen. Die Aquarelle entstanden im Verlauf eines Jahres auf einer dänischen Insel und in Portugal. Es handelt sich jedoch nicht um ein Tagebuch im eigentlichen Sinne. Anstatt die Ereignisse eines bestimmten Tages zu dokumentieren, lädt Grass uns ein, ihn zu begleiten, während er über das Jahr in Erinnerungen schwelgt und seine Gedanken schweifen läßt. Wir werden dazu eingeladen, Grass an diese Orte zu folgen, die Dinge zu sehen, die er gesehen hat, und uns mit seinen Gedanken auseinanderzusetzen, die die Werke begleiten.

Grass selbst betrachtete sein bildnerisches und sein literarisches OEuvre als gleichwertig, wie er in seinem Werkstattbericht von 2004 betonte. Er empfand die Unterscheidung zwischen Schreiben und Zeichnen als akademisch und künstlich; für ihn gab es kein Entweder-oder. Die Künstlerbücher, für die diese Aquarelle die Grundlage bilden, sind Beispiele für Querverweise, Gegenüberstellungen und den kreativen Austausch zwischen beiden Kunstformen. Diese Synthese aus kurzen, lakonischen Texten, zwischen vier und elf Zeilen umfassend und mit demselben Pinsel geschrieben, der auch für die Bilder verwendet wurde, entwickelte Grass gegen Ende seines Lebens.

Die Aquarelle sollen nicht als Illustration der Texte verstanden werden, ebenso wenig wie die kurzen Zeilen als Bildunterschriften oder Erklärungen gedacht sind. Vielmehr sollen Wort und Bild, Sprache und Farbstruktur gemeinsam wahrgenommen werden. Sie ergänzen sich und bilden eine völlig neue Kunstform, in der Worte und Aquarelle harmonisch miteinander verschmelzen. Der Künstler prägte den Begriff Aquadichte, um die neue Kunstform zu beschreiben, ein Wortspiel, welches die gleichberechtigte Verbindung von Aquarell und Dichtung zum Ausdruck bringt.

 

Der Aquarellzyklus Mein Jahrhundert, zwei Jahre später fertiggestellt und Grundlage eines weiteren Künstlerbuchs, fand ebenfalls über Grass’ langjährige Freundschaft mit dem Sammler Reinhold Würth seinen Weg in die Sammlung Würth, die insgesamt 668 Werke des Künstlers besitzt, darunter auch Zeichnungen und Skulpturen. Anlässlich des 100. Geburtstages von Günter Grass im Jahr 2027 ist eine große Werkschau im Museum Würth in Künzelsau geplant.

Sammlung Würth